Guten Abend, meine Damen und Herren, verehrte Freundinnen und Freunde der Lobbacher Gespräche
Ich freue mich, nach fast 1 Jahr Abstinenz und 3 online-Veranstaltungen – unsere letzte Präsenz-Veranstaltung hier in Lobbach war am 1.Oktober 2020 zum Thema „Krisenfestes Klassenzimmer“ – Sie in weitgehend gewohntem Rahmen begrüßen zu können.
Unser Thema ist diesmal nicht corona-motiviert, berührt aber ein recht schwieriges, weil komplexes Thema, denn es geht u.a. um die Werte der Wertegemeinschaft EU: Ich rede von Menschenrechten und ihre Beachtung im Falle von Flüchtlingen, die gezwungenermaßen ihre Heimat verlassen.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, das steht bekanntlich in Art.1 des Grundgesetzes, die Würde des Menschen – nicht des Deutschen. Ein Anspruch, der leider viel zu oft keine Beachtung findet.
In Art. 2 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen vom 10.12.1948 heißt es dann: Menschenrechte sind Rechte, die jeder Mensch aufgrund seines Menschseins besitzt, sie stehen somit allen Menschen gleichermaßen zu, ohne Unterscheidung nach Herkunft, Sprache, Geschlecht, Religion oder Hautfarbe usw. Sie sind angeboren, können also weder verliehen noch aberkannt werden. Von den Zielen der franz. Revolution 1789 unter gewaltigen Menschenverschleiß blutig erkämpft, möchte ich hier gar nicht erst reden.
1951 wurde in Genf das Abkommen über die Rechtsstellung von Flüchtlingen, die sog. „Genfer Flüchtlingskonvention“ unterzeichnet, entstanden unter dem Eindruck des 2. Weltkrieges. Das UN-Flüchtlingskommissariat nahm dann 1954 nach Ratifizierung durch 6 Staaten, darunter Deutschland, seine Arbeit auf, zunächst um Flüchtlinge des 2. Weltkriegs zu versorgen und bei der Suche nach einer neuen Heimat zu unterstützen. Dem Abkommen gehören inzwischen 145 Staaten an.
Im Artikel 2 des Vertrags der Europäischen Union heißt es auch: »Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte …«
Waren es zur Zeit der Verabschiedung der Flüchtlingskonvention noch einige Tausende, so hat sich in den folgenden Jahrzehnten die Zahl der Menschen auf der Flucht vervielfacht, zuletzt auf über 30 Mio mit aktuell steigender Tendenz, die aus verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen müssen. Dazu kommen viele, die innerhalb ihres eigenen Landes vertrieben werden (Jemen, Afghanistan, Syrien, Äthiopien), meist aufgrund kriegerischer Aktionen, aber immer mehr auch aus klimatischen Gründen.
Trotz der erwähnten anspruchsvollen internationalen Vereinbarungen ist dem weltweiten Flüchtlingsproblem nur sehr schwierig zu begegnen. In ihrer Verzweiflung nehmen die Menschen auch hohe Risiken auf sich. Die Route über das Mittelmeer (Libyen -> Lampedusa) gilt dabei als eine der gefährlichsten Wege in ein vermeintlich besseres Leben. Lt. ProAsyl sind seit 2014 fast 20000 Menschen im Mittelmeer ums Leben gekommen, auch weil die international vorgeschriebene Hilfe zur Rettung von Schiffsbrüchigen zunehmend bewußt durch EU-Organisationen behindert wird.
Natürlich ist es für die primär beteiligten Länder –dank Dublin-Abkommen vor allem im Süden der EU angesiedelt – politisch schwierig, die vielen Flüchtenden allein aufzunehmen und in die jeweiligen Gesellschaftssysteme zu integrieren, das ist unbestritten. So landen dann viele Flüchtende in irgendwelchen Aufnahmelagern, vornehm Hotspots genannt. Eines der bekanntesten Lager ist Moria auf der traumhaft schönen Insel Lesbos, im Osten der Ägäis gelegen und nur wenige km vom türkischen Festland entfernt. In dem Lager – ursprünglich für 8000 Menschen ausgestattet, warten etwa 40000 auf ihre Weiterreise in das gelobte Europa. Die Bedingungen im Lager kann man aufgrund der völligen Überbelegung nur als absolut menschenunwürdig bezeichnen, Jean Ziegler, Mitglied der UN-Menschrechtskommission, nennt es die „Schande Europas“
Dabei sind durchaus Wege denkbar, den Umgang mit dem Flüchtlingsproblem zu verbessern. Wie das gehen könnte, darüber hat sich unser heutiger Gast intensiv Gedanken gemacht. Ich darf Ihnen vorstellen Herrn Gerald Knaus aus Berlin. Herr Knaus ist Soziologe, Migrationsforscher und Gründer der Denkfabrik „European Stability Initiative“, die ihren Sitz in Sarajewo hat. Ich freue mich, lieber Herr Knaus, dass Sie unsere Einladung zu den Lobbacher Gesprächen angenommen haben.
Ich gebe das Wort nun weiter an Prof. Lars Castellucci. Er war als Bundestagsabgeordneter persönlich auf Lesbos und hat sich ein Bild von der Situation in Moria gemacht und wird die Moderation des heutigen Abends übernehmen.