Guten Abend meine Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich zu unserer inzwischen 17. Veranstaltung und freue mich über ihr großes Interesse an unserem heutigen Thema.

Zum  Einstieg möchte ich Ihnen eine kleine Geschichte aus der Schweiz erzählen:  Im Sommer 1980 kam es in Zürich , aber später auch in anderen großen Städten der Schweiz zu schweren Demonstrationen. Eine große Zahl junger Menschen demonstrierten, ja randalierten in der Nähe des Zürcher Opernhauses und lieferten sich erbitterte Straßenkämpfe mit der Polizei – brennende Autos, zerschlagene Schaufensterscheiben, viele Verletzte, sogar ein Toter. „Züri brännt“ war das Motto der Unruhen, die meisten wohlbehüteten und wohlversorgten Bürger der Stadt und auch im Ausland waren von den Geschehnissen überrascht und erschüttert. Auch in Berlin gab es ähnliche Unruhen.

Wie konnte dazu kommen?

Der konkrete Anlaß: Die Stadt ZH war bereit, 60 Mio sfr in die Renovierung des Opernhauses, dieses angejahrte Symbol der Hochkultur, zu stecken, aber weigerte sich, den Aufbau eines autonomen (selbstverwalteten) Jugendzentrums vor allem für weniger bemittelte Jugendliche in Form der Renovierung eines leerstehenden Fabrikgebäudes zu unterstützen. Vor allem aber waren die meisten Bürger der Stadt bis hin zur Stadtverwaltung ziemlich überrascht, dass es so etwas wie Armut in Zürich überhaupt gab.

Damit sind wir beim Thema. Was heißt denn arm?

In der Schweiz gelten Menschen mit einem mtl. Einkommen von unter 2279 sfr als arm, in Deutschland liegt die Grenze bei 1251 eur (Alleinstehende) und das betrifft nach einer neueren Studie der Hans-Böckler-Stiftung ca. 16,8% der Bevölkerung mit steigender Tendenz. (Schweiz: 8,5%). Der Wert berechnet sich aus 60% des mittleren Einkommens in Deutschland.

Zur Erinnerung: Der Regelsatz nach Hartz4 liegt bei 449eur, ab 23 (Bürgergeld) 502 eur. Das Rentenniveau liegt in Deutschland niedriger als in Frankreich, Italien, Spanien, Österreich oder Niederlande.

Das Thema „Armut in Deutschland“ ist allerdings wesentlich komplexer als es die genannten dürren Zahlen auf den ersten Blick erscheinen lassen und so haben wir uns für unsere heutige Veranstaltung den anerkannten Experten für Armut hinzugeholt. Ich begrüße Prof. Christoph Butterwegge aus Köln.

Prof. Butterwegge ist Jahrgang 1951 und stammt aus Münster. Er hat Sozialwissenschaften und Politologie studiert und an der Universität Bremen habilitiert. Von 1998 bis 2016 hatte er eine Professur an der Uni Köln inne.

Ich freue mich sehr, dass Sie heute bei den Lobbacher Gesprächen zu Gast sind. Sicher werden wir auch über Möglichkeiten reden, der Armut zu begegnen, denn – ich darf mal aus Ihrem Buch zitieren:

Ebensowenig wie das Schwein durch häufiges Wiegen fetter wird, so wenig werden die Armen satt, wenn sie dauernd gezählt werden.